Gut Schiff wiederbelebt

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Norbert von Thule
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Gut Schiff wiederbelebt

Beitrag von Norbert von Thule »

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Norbert von Thule
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Re: Gut Schiff wiederbelebt

Beitrag von Norbert von Thule »

Heute in der Bergische Landeszeitung:
Celine Keuer hat geschrieben:
Mittelaltermarkt in Bergisch Gladbach

Autorin Celine Keuer tauchte auf Gut Schiff ganz in die Epoche ein

Unsere Autorin findet das Mittelalter eine faszinierende Epoche. In einem Selbstversuch hat sie sich auf dem Mittelaltermarkt zu einer Hofdame machen lassen.


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Das Mieder ließ Celine Keuer wenig Raum zum Luftholen, die Holzschuhe fand sie im Matsch hingegen praktisch.

Das Mittelalter ist sicher eine faszinierende Epoche – aus der zeitlichen Entfernung. Mittendrin zu sein ist dann doch nicht so attraktiv: Plumpsklo, keine Dusche und die ständige Bedrohung, an der Pest sterben zu können. Der Mittelaltermarkt auf Gut Schiff wirkte da wie eine Zeitreise.
Bei meiner Ankunft wurde ich sofort in Empfang genommen und in das Ankleidezelt der Gräfin gebracht. Dort verwandelten mich die Zofen in eine richtige Hofdame. Ein langes Kleid, das tiefes Luftholen für die nächsten zwei Stunden nicht mehr zuließ, einen Umhang mit einer kleinen Brosche und eine weiße Haube über den Kopf und fertig war die Hofdame. Äußerlich. Mit Holzschuhen und einer ordentlichen Portion Skepsis ging die Reise über den Markt los.

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Beim Mittelaltermarkt auf Gut Schiff zeigte auch ein Jongleur seine Kunst, unterhielt die Gäste auf feurige Weise.

Der Gaukler machte sich bei der Markteröffnung wortwörtlich zum Narren und die Musiker spielten auf Dudelsäcken und Flöten als wäre es das normalste der Welt. An vielen Ständen wurden handgemachte Gegenstände zum Verkauf angeboten oder die Besucher konnten selber werkeln. Zum Beispiel eine Kerze herstellen. Und das ist sehr, sehr zeitaufwändig. Der Faden muss wieder und wieder in flüssigen Bienenwachs getaucht werden. Nach zehn Minuten ist die Kerze etwa einen Zentimeter lang. Das muss reichen – das Prinzip ist verstanden, Zuhause funktioniert das mit dem Lichtschalter besser.
Ich war Mitglied der Kriegsraben, einer der vielen Gruppen, die auf dem Mittelaltermarkt das Wochenende über ihre Lager aufgebaut haben, um eine kleine Parallelwelt zu kreieren. Von weitem betrachtet wirkte das Ganze doch etwas suspekt: Kupferkessel, in denen gekocht wurde, überall echte Felle und handgeschmiedete Schwerter. Wer begeistert sich so sehr für ein Zeitalter, um all den Aufwand zu betreiben? Alle dort.
Es wirkte, als gäbe es auf Gut Schiff kein 21. Jahrhundert mehr. Alles drehte sich nur noch um Tavernenschlachten oder den Umtrunk mit Honigbier am Lagerfeuer. Die Teilnehmer des Marktes trugen handgefertigte Gürtel, bestickte Umhänge oder schliefen auf selbst gewebten Kissenbezügen. Auch aus der Perspektive der Hofdame wirkte alles Mittelalter-authentisch. Nichts war peinlich oder unangenehm, auch nicht, dass man lange Gewänder, Umhänge und Tücher auf dem Kopf trug. Holzschuhe werden zwar hoffentlich nicht zu einem Modetrend in der Außenwelt, aber auf dem Mittelaltermarkt waren sie ein absolutes Muss.

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Der Klang von Trommeln und Schalmeien gehört zu einem Mittelaltermarkt unbedingt dazu.  (Foto: Luhr)

Trotz Matsch blieben die Füße trocken. Jeder Besucher fand auf dem Markt sicher seine ganz besondere Attraktion. Zum Beispiel das Gefühl, einmal im Leben einen Uhu auf dem Arm zu haben. Im Mittelalter auf Gut Schiff gar kein Problem. Handschuh angezogen und schon saß das große Federvieh auf dem Arm und schaute einen mit seinen großen Augen an. Leider ohne Geräusch. Und als er die Flügel ausfuhr, musste der Arm ganz weit vom Körper weg gehalten werden. Ein schönes Gefühl, aber keines für die Ewigkeit, denn das Tier wog erstaunlich viel. Also zurück auf die Stange mit dem Uhu. Raus aus den Klamotten und dann war Schluss mit der Hofdame. Das gesellige Beisammensein im kleinen Badebecken – in einem Zelt auf der Wiese, dem Badehaus, muss nicht sein. Lieber die warme Dusche daheim.
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